Cicely Saunders im Jahre 2002

Fiktive Gespräche – Teil 3: Cicely Saunders

Inhaltsverzeichnis

Soziale Arbeit studieren, was bedeutet das eigentlich? Was lernt man da konkret? Wer dazu mehr wissen möchte, für den startet hiermit eine kleine Reihe, die einen Einblick gibt in ein besonderes Lernprojekt des Studiums der Sozialen Arbeit an der AKAD University. Teil 3: Cicely Saunders (1918-2005), Begründerin der Hospiz-Bewegung.

JS: Sehr geehrte Cicely Saunders – erzählen Sie uns von sich – für was sind Sie bekannt geworden?

CS: Ich habe eine Reihe von Dingen – Ideen, Bewegungen und Einrichtungen – ins Leben gerufen, die sich allesamt mit der Fürsorge für sterbende Menschen und Menschen mit lebensverkürzenden Krankheiten befassen. Ein besonders sichtbarer Meilenstein war sicher die Gründung des St. Christopher‘s Hospiz als Startpunkt der modernen Hospizbewegung und des Themenbereichs Palliative Care im Jahr 1967. Allgemein gelte ich wohl als Pionierin der Palliativmedizin. Diese befasst sich nicht mit der kurativen, also heilenden Behandlung von Menschen, sondern mit der Beherrschung von Schmerzen und anderen Krankheitsbeschwerden sowie der Linderung von psychologischen, sozialen, emotionalen und spirituellen Problemen, die bei einer weit fortgeschrittenen, lebensverkürzenden Erkrankung auftreten. Ich habe für diese Gesamtheit von Stressoren den Begriff „Total Pain“ geprägt, der Schmerz als multidimensionales Phänomen beschreibt und entsprechend eine gemeinsame, multidisziplinäre Antwort verlangt – von Medizinern, Pflegern, Psychologen und Sozialarbeitern. Multiprofessionelle Teams sind auch heute noch ein wichtiges Merkmal in Hospizarbeit und Palliative Care.

JS: Wie sah Ihr Weg dorthin aus? Sie sind in Ihrer Zeit Schwierigkeiten in beiden Bereichen begegnet - wie sind Sie damit umgegangen?

CS: Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs habe ich zunächst Politik, Philosophie und Ökonomik (engl. “PPE“) am St. Anne‘s College Oxford studiert. Unter dem Eindruck des Krieges und gegen den Willen meiner Eltern habe ich mich aber entschieden, etwas mir nützlicher Erscheinendes zu tun und eine Ausbildung zur Krankenschwester zu absolvieren. Nach dem Ende des Krieges bin ich ans St. Anne’s College zurückgekehrt und habe dort 1947 einen Abschluss als eine Art Sozialarbeiterin erworben und anschließend begonnen, als „Lady Almoner“ (dt.: Almosenier, eine Art Armenpflegerin) zu arbeiten. In dieser Funktion und als Freiwillige in der Krankenpflege bin ich regelmäßig sterbenden Menschen begegnet, die mir insbesondere im Bereich der Schmerzbeherrschung unterversorgt erschienen. Unter dem Eindruck dieser Begegnungen habe ich erste Ideen für Palliative Care und für ein spezialisiertes Hospiz entwickelt, das professionelle Schmerz- und Symptombeherrschung, einfühlende Pflege sowie klinische Lehre und Forschung unter einem Dach vereint. In der damaligen Zeit und im medizinisch geprägten Umfeld konnte ich für solche Ideen allerdings erst die entscheidende Akzeptanz finden, nachdem ich noch zusätzlich Medizin studiert hatte (bis 1957). Neben den anfänglichen Schwierigkeiten, die den Widerstand meines Elternhauses gegen meine Entscheidungen betrafen und den Schwierigkeiten, was die wissenschaftliche Akzeptanz meiner Vorschläge anging, waren auch finanzielle Hürden zu nehmen. Bis ich schließlich 1967 mit dem St. Christopher‘s Hospice das erste Forschungs- und Lehrhospiz der Welt eröffnen konnte, vergingen noch einige Jahre. In dieser Zeit musste ich mich neben der Arbeit im traditionellen Hospizbereich und der Forschung zu Palliative Care auch dem Fundraising widmen, um die finanzielle Voraussetzung für die Gründung von St. Christopher‘s zu schaffen.

CS: Kommentar: In den heutigen westlichen Gesellschaften ist die Entscheidung über die eigene (akademische) Ausbildung wesentlich weniger durch das Elternhaus geprägt als zu Ihrer Zeit. Allerdings stellt ein Wechsel von einer akademischen Laufbahn in einen Ausbildungsberuf sicher auch weiterhin eine bemerkenswerte Ausnahme dar. Ob eine Akzeptanz Ihrer Ideen und Ansätze heute einfacher oder schwieriger zu erreichen wäre, und inwieweit sie von einer akademischen Ausbildung des Ideengebers abhinge, ist kaum zu sagen (im Bereich der medizinischen Versorgung existieren sowohl Bereiche mit strengen wissenschaftlichen Kriterien, als auch Verfahren wie die Homöopathie, die trotz fehlender wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweise recht populär sind). Bezüglich Finanzierung/-Fundraising – wie hat sich die Spendenbereitschaft seit der Nachkriegszeit entwickelt?

JS: Ich habe zwar mit Volkswirtschaft und Neuerer Geschichte eine dem „PPE“ verwandte Fächerkombination studiert, habe aber anders als Sie anschließend nicht im sozialen Bereich gearbeitet, sondern war lange Zeit in einem ganz anderen, nämlich dem industriellen Sektor beschäftigt. Mein erster Umgang mit sterbenden Menschen hat sich zwar schon vor dem Studium durch den einjährigen Zivildienst in einem privaten Pflegeheim ergeben, etwas zielgerichteter wurde es aber dann doch erst vor zwei Jahren durch die Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Stuttgarter Hospiz. Der Schritt zur Sozialen Arbeit als Beruf ist dabei für mich ein Teil der Antwort auf die Frage nach einer sinnhaften Erwerbstätigkeit. Welche Rolle hat die Profession der Sozialen Arbeit bei Ihnen gespielt?

CS: Wie schon erwähnt habe ich mich während des Zweiten Weltkriegs für die aus meiner Sicht sinnvollere Ausbildung zur Krankenschwester entschieden und das Studium, das zum einem der Sozialen Arbeit ähnlichen Abschluss führte, erst später abgeschlossen. Die sozialarbeiterische Tätigkeit als Lady Almoner hat mir möglicherweise Aspekte aufgezeigt, die in den Hospizgedanken eingeflossen sind. Auch für mein Konzept von „Total Pain“ und der daraus resultierenden Multiprofessionalität im Hospizbereich kann zumindest eine Wechselwirkung mit der Sozialen Arbeit angenommen werden. Hospizarbeit ist immer auch Arbeit im Sozialen, wobei ich ja mit Palliative Care noch einen zusätzlichen Schwerpunkt hatte, der sich eher aus meiner medizinischen und pflegerischen Ausbildung ergab.

Autor dieses fiktiven Interviews ist Jörg Schumacher, Studierender im Studienfach Soziale Arbeit.

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Über die Autor:innen

Prof. Dr. Isa-Dorothe Eckstein

Professorin für Soziale Arbeit

Sie verfügt über eine umfangreiche Expertise in den Bereichen Soziale Arbeit und Pädagogik. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Soziale Arbeit, wobei sie sich besonders mit Themen wie inklusive Berufspädagogik, Betriebliches Gesundheitsmanagement und Diversität beschäftigt. Prof. Dr. Isa-Dorothe Eckstein engagiert sich auch außerhalb der Lehre in verschiedenen verantwortlichen Funktionen. Sie ist aktiv in der kirchlichen Gemeindearbeit involviert, hält Gottesdienste in den evangelischen Landeskirchen Hessen-Nassau, Württemberg und Pfalz ab und leitet den ökumenischen Weltgebetstag auf Dekanatsebene. Zudem ist sie Mitglied der Besuchskommission der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau (EKHN), Mitglied des Senats, Mitglied des SPO-Ausschusses der Hochschule und Mitglied des Educational Board of Practice der Hochschule und arbeitet im iXNet-Programm zur Unterstützung junger Akademiker:innen mit Behinderung mit.

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